Ohne Worte

Hast du dich schon einmal gefragt, warum „La Marcha Real“ von Manuel de Espinosa keinen Text hat und warum die spanischen Fußballspieler nur andächtig in die Ferne schauen, während andere Nationalmannschaften lautstark ihre Hymnen grölen? Mangelnde Textkenntnis oder ein Zeichen für die Vielfalt Spaniens?

Der Ursprung der wortlosen Melodie geht auf das Jahr 1770 zurück. Ursprünglich war die „Marcha Real“ ein Militärmarsch, der ohne Text komponiert wurde. Mehrere Versuche, der Hymne einen Text zu geben, scheiterten. Vielleicht lag es an der spanischen Leidenschaft, die sich nicht in einfache Verse fassen lässt. Oder an den politischen Spannungen, die Spanien im Laufe der Jahrhunderte durchlebt hat. Schließlich kann man sich leichter auf eine Melodie einigen als auf Worte, die für die eine oder andere Seite politisch brisant sein könnten.

Spanien besteht aus 17 autonomen Gemeinschaften wie Katalonien oder dem Baskenland, die alle ihre eigenen kulturellen Besonderheiten und manchmal auch politischen Ansichten haben. Einen Text zu finden, der alle diese Regionen repräsentiert und niemanden verärgert, ist wohl deshalb fast unmöglich.
2007 wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, um endlich einen Text zu finden. Tausende Einsendungen wurden gesichtet, doch am Ende blieb alles beim Alten.

Nach fast 250 Jahren hat die spanische Nationalhymne 2018 endlich einen Text bekommen! Eine Jury unter dem Vorsitz des renommierten Musikwissenschaftlers Emilio Casares wählte aus über 7.000 Einsendungen vier Strophen aus. Die auch als „Königsmarsch“ bekannte Hymne soll mit den Worten „¡Viva España! Desde los verdes valles al inmenso mar, un himno de hermandad“. – Es lebe Spanien! Von den grünen Tälern bis zum weiten Meer. Eine Hymne der Brüderlichkeit“. In der Bevölkerung stieß dies jedoch auf wenig Begeisterung. Der Text sei zum Scheitern verurteilt, schrieb damals die Sportzeitung MARCA.

Bis heute gilt die spanische Nationalhymne: Manchmal sagen Worte nicht alles. Und manchmal braucht man sie auch gar nicht.

¡Viva España! – und das ganz ohne Worte!